Home > Freizeit & Kultur > Vereine > Naturschutzgruppe > Berichte > Bericht
Naturschutzgruppe: Bericht
vorheriger Bericht zurück zur Liste nächster Bericht28. August 2024
Schlangen am Alpnachersee
Obwohl sie zu den faszinierendsten und wundersamsten Tierarten gehören, lösen Reptilien, insbesondere Schlangen, bei vielen Menschen immer noch Unbehagen oder sogar Angst aus. Dies liegt unter anderem daran, dass wir diese scheuen Lebewesen nur selten zu Gesicht bekommen und zu wenig über sie wissen. Zeit für eine Reptilienexkursion!
Die Naturschutzgruppe hat sich neben zahlenreichen praktischen Einsätzen auch die Aufklärung und Sensibilisierung auf die Fahne geschrieben. Und für die Leitung unserer Reptilienexkursion am 8. Juni haben wir den Herpetologen Urs Jost gewinnen können.
Keine Berührungsängste
Urs begeistert sich seit seiner Kindheit für Reptilien und Amphibien und durchstreifte schon als kleiner Bub seine Heimat am Alpnachersee auf der Suche nach diesen schützenswerten Geschöpfen. Heute ist er längst Experte, engagiert sich in verschiedenen lokalen Naturschutzprojekten und wird sogar bei Polizei- und Feuerwehreinsätzen hinzugezogen, wenn es darum geht, ein ausgesetztes oder entflohenes Tier zu retten und zu bestimmen. Zusammen mit seiner Frau Heidi, die ihm als Naturfotografin zur Seite steht, betreibt er die Webseite www.naturimbild.ch, die man sich als Naturfreund auf jeden Fall anschauen sollte.Unsere Exkursion führte am Lopper entlang, der als Berg eine schmale Halbinsel zwischen dem Vierwaldstätter- und dem Alpnachersee bildet. Dass Urs diese Gegend wie seine eigene Westentasche kennt und entsprechend zielsicher die Stellen anvisiert, wo man viele Tiere beobachten kann, wussten wir zwar, aber dass er auch gleich beherzt zugriff, um uns ein Exemplar von Nahem zu zeigen, liess unsere Augen dann doch grösser werden.
Erhöhter Puls bei der ersten Begegnung
So ging es dann auch gleich etwas aufregend los, denn Urs präsentierte uns als Erstes eine Aspisviper, von der er wusste, dass sie sicher wieder auf demselben Stein wie am Vortag lag, um sich in der Sonne aufzuwärmen. Geschützt durch einen langen Handschuh packte er diese Giftschlange recht bestimmt, aber dennoch behutsam, liess uns das schöne Tier bestaunen und brachte unseren Puls wieder ein wenig herunter, indem er uns einiges zu dieser Schlange und ihren Eigenschaften erzählte.Die Aspisviper ist tagaktiv und lebt auf dem Boden. Sie ist lebendgebärend, das heisst, sie legt nicht zuerst Eier, aus denen in einem späteren Stadium Schlangen schlüpfen, sondern sie bringt ihre Jungen schon als fertige kleine Schlangen zur Welt. Zu ihrer Beute gehören Kleinsäugetiere, kleine Jungvögel und Eidechsen, die sie durch ihren Giftbiss schnell tötet und dann verschlingt. Es heisst zwar, ihr Biss könne auch für einen Menschen tödlich sein, aber Urs erklärte, dass man hier zwischen einem Abwehrbiss und einem Beutebiss unterscheiden muss. Nur bei einem Beutetier gibt die Schlange viel Gift ab, damit das Tier schnell stirbt und nicht mehr davonlaufen kann. Bei einem Menschen hingegen, der versehentlich auf sie tritt oder sie anders überrascht, wehrt sie sich mit einem kurzen Abwehrbiss, bei dem weniger Gift abgegeben wird.
Nachdem Urs die Viper wieder vorsichtig auf ihren Stein zurückgelegt hatte, ging es weiter den Lopper entlang und hinunter zum Ufer des Alpnachersees, wo wir noch weitere Schlangen beobachten, bewundern und sogar anfassen durften.
Weitere Entdeckungen
Obwohl sie wie eine Schlange aussieht, ist die Blindschleiche eigentlich eine beinlose Echse. Anders als bei Schlangen sind ihre Augenlider beweglich, und sie kann bei Gefahr ihren Schwanz abstossen. Ihren Namen hat sie nicht einer fehlenden Sehkraft zu verdanken, sondern ihrem glänzenden (blendenden) Rücken, wobei aus dem «Blend» irgendwann «Blind» wurde. Die Blindschleiche gehört zu den meistverbreiteten Reptilienarten in Europa und ist am besten angepasst. Sie liegt am liebsten versteckt in der Vegetation und ernährt sich vorwiegend von Schnecken, Würmern und Raupen, aber auch von kleineren Insekten und Spinnen.Die Ringelnatter gehört zu den Wassernattern und ist daher eine gute Schwimmerin. Da sie ungiftig ist und auch nicht beisst, flüchtet sie bei Gefahr und stösst eine stinkende gelbliche Flüssigkeit aus ihrer Kloake. (Dieser Saft lässt sich laut Urs kaum aus der Kleidung herauswaschen und stinkt heftig weiter.) Wird die Ringelnatter von einem Feind ergriffen, hat sie noch einen anderen guten Trick drauf, und zwar das Totstellen. Dabei erschlafft sie und lässt ihre Zunge aus dem Maul hängen. Ringelnattern leben gefährlich, da sie viele Fressfeinde haben. Aus diesem Grund haben sie wohl so gute Überlebensstrategien. Sie sind in ganz Europa verbreitet und bevorzugen einen feuchten Lebensraum, weswegen sie vor allem an stehenden oder langsam fliessenden Gewässern leben.
Noch besser als die Ringelnatter kann die Würfelnatter ausgezeichnet schwimmen und tauchen und ist vorwiegend an Gewässerrändern vorzufinden. Als Wassernatter ernährt sie sich vor allem von Fischen, Fröschen und Molchen. Sie ist wie die Ringelnatter ungiftig und entleert bei Gefahr ebenfalls eine übelriechende Flüssigkeit aus ihrer Kloake.
Anders als die Ringel- oder die Würfelnatter bevorzugt die eher kleine Schlingnatter warmes und sonniges Gelände, das viele Verstecke bietet, wie zum Beispiel Weinberge, lichte Wälder oder Steinbrüche. Sie ist ungiftig, beisst aber, wenn sie sich bedroht fühlt. Auch ihr Vorkommen umfasst ein weites Gebiet in Europa.
Schluss mit Vorurteilen
Ein weit verbreitetes Vorurteil generell zu Schlangen ist immer noch, sie seien glitschig und nicht schön anzufassen. An einer dieser zarten Schlingnattern durften wir das Gegenteil erfahren und sie vorsichtig anfassen. Wer sich traute, konnte spüren, wie trocken, warm und schön sie sich anfühlte. (Und die anderen mussten es einfach glauben.)Bei einem anschliessenden Picknick am Ufer des Alpnachersees liessen wir das Erlebte Revue passieren und waren zutiefst beeindruckt, was wir alles gesehen und erfahren hatten.
Und das mit dem Wegwischen von Unbehagen hat übrigens auch geklappt. Man muss halt einfach jemanden haben, der einem etwas Fremdes auf eine vielfältige und lehrreiche Art und mit ganz viel Herzblut näherbringt. – Danke, Urs, wir sehen uns im nächsten Jahr wieder!