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vorheriger Bericht zurück zur Liste nächster Bericht14. Juli 2022
«Die Qualität steht an oberster Stelle»
Oliver Bär war bei der «besten Sondereinheit der Welt», jetzt ist er Kommandant der für Bergdietikon zuständigen Regionalpolizei.
Oliver Bär blickt aus dem Büro der Regionalpolizei (Repol) auf die Wettinger Landstrasse. «Würden die Bäume nicht die Sicht nehmen, könnte man gut die Nummern der Autoposer notieren», sagt er mit einem Schmunzeln. Auf der Landstrasse, die über 2,5 Kilometer schnurgerade durch Wettingen führt, wird, ausgerechnet vor dem Stützpunkt der Regionalpolizei, gerne übermässig Gas gegeben. Bär nutzt die Gelegenheit und startet zu einem kurzen Exkurs über Klappenauspuffe.
Der 46-Jährige ist Polizist durch und durch. 25 Jahre lang stand er im Dienst der Kantonspolizei (Kapo) Aargau, 20 Jahre gehörte er deren Sondereinheit Argus an. Dreimal nahm Bär als Aktiver an der «Combat Team Conference» teil. Dieses Kräftemessen der Eingreiftruppen wird seit 1983 von der deutschen Spezialeinheit GSG 9 organisiert. 2019 gewann Argus überraschend den internationalen Wettkampf, Bär war erstmals der Coach der Aargauer und die Zeitungen schrieben von der «besten Sondereinheit der Welt».
Seit 100 Tagen ist Bär nun Kommandant der Regionalpolizei Wettingen-Limmattal. «Regionalpolizisten werden manchmal etwas abschätzig Dorfpolizisten genannt», sagt er. Dieses Bild ist nicht nur mit Blick auf Bär ziemlich falsch. «Regional- und Kantonspolizisten geniessen dieselbe Ausbildung, aber die Regionalpolizei ist näher bei den Menschen», betont Bär. Dagegen verfüge die Kantonspolizei über mehr Ressourcen und Spezialisten. «Aber wenn irgendwo etwas passiert, und sei es noch so schrecklich, ist es die Regionalpolizei, die oftmals zuerst vor Ort ist.»
«Ausgesprochener Frontpolizist»
25 Jahre war Bär an der Front tätig, bezeichnet sich selbst als «ausgesprochenen Frontpolizisten». Seit 2007 gehörte er dem Kader der Kantonspolizei an, zuletzt war er stellvertretender Dienstchef des Fahndungs- und Aktionsdienstes. Er habe das sehr gerne, aber auch lange genug gemacht, sagt der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder. «Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um etwas in den Hintergrund zu treten.» Deshalb habe er die Gelegenheit ergriffen und sich für die freie Stelle als Kommandant der Repol beworben.Auf die Frage, ob er seinen alten Job nicht vermisse, entgegnet Bär, er habe gar keine Zeit, ihn zu vermissen. Am 1. April trat er das Amt an, einen Monat lang wurde er von seinem Vorgänger Roland Jenni, der pensioniert wurde, eingearbeitet und hat sich in dieser Zeit viele Notizen gemacht. Augenscheinlich die grösste Veränderung ist, dass Bär nicht mehr wie früher in Zivil unterwegs ist, sondern uniformiert und klar erkennbar als Polizist. Zwar keine neue Erfahrung, aber eine, an die er sich wieder gewöhnen muss.
Aber vor allem hat sich sein Aufgabenfeld verändert: Das Führen einer Polizeieinheit, welche für sechs Gemeinden (Bergdietikon, Spreitenbach, Killwangen, Neuenhof, Würenlos und Wettingen) mit rund 54’000 Einwohnern zuständig ist. Personalpolitik, Finanzen, Politik, Strukturen prüfen und der Austausch mit den Gemeinden zählen nun zum Kerngeschäft. «Für mich steht die Qualität unserer Polizeiarbeit an oberster Stelle», sagt Bär und fügt an: «Ich will nicht an der Zahl der Radarbussen gemessen werden.» Klar seien die Bussen ein Budgetposten der Gemeinden, aber es sei eben auch die Frage, wie hoch dieser Posten angesetzt werde.
Freund und Helfer oder Recht und Ordnung?
Bär hat einen tief verankerten Glauben ans Rechtssystem und will den hohen Standard erhalten. «Der Polizist ist Freund und Helfer, das ist der einfachere Teil unserer Arbeit. Der schwierigere Part ist, Recht und Ordnung durchzusetzen.» Dabei könne auch die Bevölkerung helfen. Bär wünscht sich etwa, dass die Menschen weniger Hemmungen haben, die Notfallnummer 117 anzurufen, selbst wenn es nur kleine Beobachtungen im Quartier oder lärmende Autos sind. «Das ergibt oft gute Aufgriffe und ist wesentlich effizienter, als uns Mails oder Briefe zu schicken, die dann tagelang liegenbleiben.»Bär war schon im ganzen Aargau tätig, unter anderem auch auf dem Kantonspolizeiposten in Baden. Er kennt das Einzugsgebiet der Repol Wettingen-Limmattal bestens und verfügt über ein breites polizeiliches Netzwerk. «Es ist ein interessantes Gebiet, nahe an Zürich und mit Gemeinden wie Wettingen und Spreitenbach, in denen viel läuft», sagt er.
Dennoch ist es nicht einfach, genug Nachwuchskräfte zu finden. Auf dem Papier verfügt die Regionalpolizei Wettingen-Limmattal über 37 Stellen, besetzt sind nur 31. «Die Konkurrenz aus dem Raum Zürich, wo die Korps aufgerüstet und bessere Löhne bezahlt werden, ist gross», sagt Bär. Umso wichtiger sei das Zusammenspiel von Kapo und Repol.
Aktuell wird in der Aargauer Politik die Idee einer Einheitspolizei diskutiert, das duale System mit Regional- und Kantonspolizei würde damit wegfallen. Bär hat für beide gearbeitet und sagt: «Es gibt Punkte, die für und gegen ein neues System sprechen. Man muss es neutral anschauen und sich für das entscheiden, was am besten für den Bürger ist.»
Limmattaler Zeitung vom 12. Juli 2022 (Text: Andreas Fretz, Bild: Fabio Baranzini)