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26. Oktober 2021

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Sie zeigen Touristen die kalte Küste

Die Bergdietikerin Fabienne Meier und ihr Partner Christian Bruttel leben auf Spitzbergen. Nun hat er ein Buch über die neue Heimat veröffentlicht. Derzeit sind die beiden auf Besuch in der alten Heimat in Bergdietikon.

Nach knapp einem Jahr auf Spitzbergen ist Fabienne Meier wieder einmal bei ihren Eltern in Bergdietikon auf Besuch. Als sie in der Schweiz aus dem Flughafen kam, sah sie viele Leute, die sich in dicke Mäntel und Schals gehüllt hatten. Doch für Meier herrschen hier sommerliche Temperaturen. Die gelernte Kauffrau folgte vor drei Jahren ihrem Herzen und wanderte zu ihrem Partner Christian Bruttel nach Longyearbyen in die nördlichste Siedlung der Welt aus. Seither arbeitet sie im Team der norwegischen Reisefirma «Spitzbergen Reisen» mit, die ihrem Partner gehört. Spitzbergen oder, wie die Norweger sagen, «Svalbard», was so viel wie «kalte Küste» bedeutet, wurde längst zu ihrer Heimat.

Die Reiseführer nutzten die Touristenflaute wegen der Coronapandemie, um eine längere Expedition zu unternehmen. Sie trainierten, trockneten Essen und planten das Abenteuer minutiös. Im April zogen Meier, Bruttel und eine weitere Gruppenführerin los. Sie wanderten in sechs Wochen mit Schlitten, Zelt und Skiern vom einen Ende der Insel zum anderen. Es war ihr zweiter Anlauf. Den ersten, bei dem sie noch eine grössere Gruppe waren, mussten sie notfallmässig abbrechen, da sie von einem Eisbären überrascht wurden. Aber auch die zweite Expedition ging nicht ganz reibungslos vonstatten. So zwang sie ein Schneesturm, während fünf Tagen im Zelt zu bleiben. Aufgrund von solchen Zwischenfällen wie diesem erreichten sie schliesslich mit zwei Wochen Verspätung die Geisterstadt Pyramiden am nordöstlichen Zipfel der Insel.

Trotz üppigem Essen nahmen sie zehn Kilo ab

Dort angekommen, haben sie zum ersten Mal wieder ausgiebig geduscht, einen Shot Vodka getrunken, gut gegessen und lange in einem Bett geschlafen. Das war Luxus: «Trotz üppiger Mahlzeiten aus selbstgetrocknetem Essen und richtig viel Schokolade haben wir auf der Tour zehn Kilo abgenommen», sagt Bruttel. Als Erstes hätten sie sich wieder an die Klospülung, den Lichtschalter und das Essen gewöhnen müssen. «Es geht jedoch sehr schnell, bis man wieder alles für selbstverständlich nimmt», sagt Meier. Dabei sei die Expedition wohl ein einmaliges Erlebnis gewesen, das nur dank Corona zu Stande gekommen ist. Meier verfasste zu Hause einen Blog über diese Zeit. Bruttel nutzte die Zwangspause, um gemeinsam mit den Filmemachern Silke Schranz und Christian Wüstenberg ein Buch zu veröffentlichen. Nun liegt der blaue Bildband «Spitzbergen – Arktische Abenteuer unter Nordlicht und Mitternachtssonne» vor ihnen. Meier sagt: «Es ist das erste Mal, dass wir das Buch sehen.»

Nachdem die Coronapandemie den Tourismus auf Spitzbergen fast zum Erliegen gebracht hatte, ziehen die Besucherzahlen auf der Insel wieder an. Für die kommende Saison seien beinahe alle Plätze ausgebucht. «Wir bilden meist kleinere Gruppen und achten darauf, dass wir die Sprachen und Interessensgebiete nicht mischen. So können wir ein individuelleres Programm anbieten», sagt Bruttel. Der gelernte Arctic Nature Guide arbeitete zuvor bei einer der grössten Touristenagenturen der Insel, dabei merkte er, dass in gemischten, grossen Gruppen die Bedürfnisse der Gäste oft nicht vollständig befriedigt werden können. Die Preise ihres Büros seien nun zwar ein wenig höher als landesüblich, dafür werde man nicht in der Masse abgefertigt. «Ist eine Gruppe in sich stimmiger, findet man viel schneller eine passende Lösung für alle», sagt Meier.

Die Tour im Sommer habe ihr wieder gezeigt, wie kreativ man draussen im endlos weissen Nichts sein könne, sagt Meier. Sie habe dabei aber auch erfahren, wie man an die Grenzen kommen kann. «Ich bin mich ja einiges gewöhnt, da ich früher internationalen Leistungssport betrieb. Doch das war nochmals etwas anderes», sagt Meier. Beim Kochen im Zelt habe sie sich jeweils ein wenig sortieren können, manchmal habe sie aber auch einfach in die Einsamkeit geschrien. Auf einer solchen Expedition könne man gar nicht immer stark sein, sagt auch ihr Partner. «Es geht nicht darum, dass alle gleich viel Gepäck durch den Schnee ziehen, sondern mit gleicher Kraftreserve gemeinsam am Ziel anzukommen.» Manchmal übernehme man Gepäck, ein andermal gebe man Ballast ab.

Wenn die beiden in der Stube von Meiers Eltern über ihre Erlebnisse reden, spürt man ihre Begeisterung für die Insel und den Outdoor-Sport. Fabienne Meier schaut zum Fenster hinaus auf das Limmattal. Vor ihr liegt eine herbstliche Landschaft. «Auf Spitzbergen vermisse ich manchmal grössere Berge oder einen Wald zum Joggen», sagt sie. Aufgrund des Permafrosts wachsen die Pflanzen im hohen Norden meist flach am Boden. Doch wenn sie zu Besuch in der alten Heimat sei, vermisse sie die weisse Weite Spitzbergens und die frische arktische Luft. «Im Moment gehören wir aber klar nach Spitzbergen», sagt Meier.

Spitzbergen – Arktische Abenteuer unter Nordlicht

Der Bildband «Spitzbergen – Arktische Abenteuer unter Nordlicht und Mitternachtssonne» von Christian Bruttel, Silke Schranz und Christian Wüstenberg ist auf spitzbergen-reisen.no und buchhaus.ch erhältlich.

Limmattaler Zeitung vom 25. Oktober 2021 (Text + Bild: Lydia Lippuner)/§L

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