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25. Mai 2021

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Sie trotzen Stürmen und Wildtieren

Die Bergdietikerin Fabienne Meier ist auf Expedition in Spitzbergen. Die Reise ist in jeder Hinsicht ein Schritt aus der Komfortzone. Und das nicht nur wegen der gefährlichen Begegnung mit einem Eisbären.

In der kargen Wildnis: Christian Bruttel, Fabienne Meier und Sylvia Gross sind zurzeit auf einer Expedition durch Spitzbergen. Hier stehen sie auf dem Newtontoppen, der mit 1713 Meter über Meer der höchste Berg der Inselgruppe ist.

Paul und Eveline Meier sehen auf ihrem Bildschirm in Bergdietikon einen Punkt, der sich alle zehn Minuten bewegt. Es ist das GPS-Signal ihrer Tochter, die seit Ende April über die Gletscher, Fjorde und den Schnee der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen wandert. «Das Ziel der Tour ist, dass die Gruppe in zirka zwei Wochen in der ehemaligen Kohlesiedlung Pyramiden ankommt», sagt Meier.

Zurzeit geht Fabienne Meier mit ihrem Lebenspartner Christian Bruttel und Sylvia Gross auf Tourenski über ein gefrorenes Fjord im Norden Spitzbergens. «Gewisse Teile der Expedition wird Fabienne künftig wohl auch in ihrem Reiseprogramm anbieten», sagt Paul Meier.

Vor zwei Jahren war Fabienne Meier zu ihrem Freund in die nördlichste Kleinstadt der Welt ausgewandert: nach Longyearbyen. Es ist der Hauptort der Inselgruppe, die zwischen dem norwegischen Festland und dem Nordpol liegt.

Bald danach kam ihr Bruder Roger Meier nach. Die beiden schlossen sich als Tourguides dem Team der deutschen Reisefirma «Spitzbergen Reisen» an, bei dem auch Fabienne Meiers Partner arbeitet. Da wegen der Coronaschutzmassnahmen nun kaum Touristen auf Spitzbergen kommen, starteten sie eine längere Expedition durch die Wildnis – in Richtung Süden der Insel.

Plötzlich war ein Schnauben vor dem Zelt zu hören

Nach zwei Wochen Wanderung wurde die Gruppe von einem Eisbären überrascht. Fabienne Meier schreibt dazu auf ihrem Blog: «Mit meinen noch ganz verschlafenen Gedanken nehme ich ein Fussstapfen draussen im Schnee wahr und frage Chris: ‹Wer ist denn da draussen auf dem Klo?› In der gleichen Sekunde hören wir ein Schnauben und Chris springt auf und greift zur Bären-Pfeife, welche bei uns im Zelt hängt.»

Ihr Bruder Roger Meier holte die Leuchtpistole aus dem Holster, lud sie durch und schoss aus dem Zelt in die Leere. Als er aus dem Zelt schaute, blickte er direkt auf den wenige Meter vor ihm stehenden Eisbären. Er feuerte weitere Leuchtpatronen auf den Bären. Dieser war aber nicht sonderlich beeindruckt von den Leuchtgeschossen. Als sich die Patronen dem Ende zuneigten, entschied die Gruppe, die Expedition abzubrechen und einen Helikopter der Küstenwache zu alarmieren. Denn auf Spitzbergen gilt es als oberstes Gebot, dass keiner der schätzungsweise 3000 Eisbären auf der Inselgruppe geschossen wird.

Nach wenigen Tagen zurück in der Zivilisation entschlossen sich Fabienne Meier, ihr Lebenspartner Christian Bruttel und Sylvia Gross, die Expedition zu Ende zu führen. Roger Meier hat nach der Begegnung mit dem Eisbären vorerst genug Abenteuer gehabt, er arbeitet zurzeit bei einem Schreiner.

Die verbliebenen drei packten noch einmal und nahmen den nördlichen Teil der Expedition unter die Füsse. Die Reise ist in jeder Hinsicht ein Schritt aus der Komfortzone. Nicht nur die Kommunikation zur Aussenwelt, auch das Gepäck ist stark limitiert. Die Abenteurer ziehen einen mit rund 30 Kilogramm schwer beladenen Schlitten hinter sich her. Darauf befinden sich Dinge wie getrocknetes Essen, Benzin, Kleider sowie ein paar Feuchttücher. «Duschen können die drei erst, wenn sie das Hotel am Zielort erreicht haben. Bis dahin müssen sie sich mit Feuchttüchern, Astronautennahrung und einem Dreierzelt begnügen», sagt Paul Meier.

Der Kite-Drachen zieht sie über die weisse Landschaft

Die Expedition sei eine Lebensschule, bei der es auch darum gehe, mentale Stärke zu beweisen. Er sagt: «Die drei müssen einfach miteinander auskommen.» Bislang verlief die Expedition in den Norden ohne grössere Zwischenfälle, das kann man zumindest den Kurznachrichten entnehmen, die die kleine Gruppe jeweils über das Satellitenkommunikationssystem absetzt.

«Heute waren sie bereits um 2 Uhr morgens unterwegs und bewegten sich insgesamt 11 Stunden», sagt Meier. An solchen Tagen sei die Gruppe viel am Kiten. Bei dieser abgewandelten Form des Kitesurfens stellt man sich auf die Skier und lässt sich von einem Zugdrachen durch die verschneite Landschaft ziehen.

Meier versteht, dass es seine Tochter trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren nochmals in die Wildnis zog. «Sie hat viel vorbereitet. Essen getrocknet, Zwischenverpflegung im Schnee vergraben und geübt, sich selbst aus Gletscherspalten zu retten. Da ist es klar, dass sie das Ding jetzt auch durchziehen will.»

Seine Frau habe mehr Sorgen. Doch die Gruppe sei nun besser geschützt: «Sie haben den Stolperzaun, der vor Eisbären warnen soll, erhöht und sind nun ständig auf der Hut», sagt Meier. Bis er jedoch hört, dass seine Tochter sicher in der Siedlung Pyramiden angekommen ist, verfolgt er die Bewegungen des blauen Punkts auf der Karte weiter sehr aufmerksam. Dabei gelte aber die Devise: No news are good news. «Sollte sich der Punkt einmal länger nicht mehr bewegen, sind sie meist wegen schlechtem Wetter einen Tag zu dritt im Zelt», sagt Meier. Er hofft, dass es künftig nicht mehr viele solche Camp-Tage gebe, denn das sei nervenaufreibend für Leute, die endlich wieder raus wollen.

Bald sind Ferien im warmen Limmattal angesagt

Sollte alles wie geplant laufen, wird Paul Meier seine Tochter in wenigen Monaten wieder in Bergdietikon empfangen. Denn da die norwegische Regierung voraussichtlich weiterhin auf strenge Coronaschutzmassnahmen setzt, wird der Tourismus noch länger brachliegen. Deswegen wolle Fabienne Meier nach dem Abenteuer im Eis bald einmal eine Ferienreise in die Schweiz unternehmen.

Limmattaler Zeitung vom 18. Mai 2021 (Text: Lydia Lippuner, Bild: zVg)

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